Ungewöhnliches Schriftzeugnis vom Kriegsende 1945

Das Ende des Zweiten Weltkrieges war für die Ortschaft Waldersee am 23. April 1945 gekommen, nachdem amerikanische Truppenverbände den Ort am 22. April von der Dessauer Muldseite noch beschossen hatten. Allerdings rückten die US-Truppen nicht weiter vor und besetzten Waldersee in Gänze, da bereits bekannt war, dass die Mulde die Demarkationslinie zwischen der amerikani-schen und der sowjetischen Besatzungszone bilden sollte. Die Amerikaner richteten nur kurzzeitig Vorposten in der Jonitzer Mühle und im Schwedenhaus ein und schickten bewaffnete Streifen durch den Ort. Erst am 4. Mai 1945 erreichten Truppenverbände der Roten Armee den Ort und besetzten ihn. Es wurde berichtet, dass sie auf Panjewagen von Vockerode her Waldersee erreichten.

Waldersee gehörte nun für einige Wochen zu den Brennpunkten der Nachkriegsereignisse in Deutschland, da in Dessau einer der Übergangspunkte von „Displaced Persons“ von den sowjetisch besetzten in die amerikanisch besetzten Gebiete und umgekehrt eingerichtet worden war.

„Displaced Persons“ waren Zivilisten, die sich aus kriegsbedingten Gründen außerhalb der nationalen Grenzen ihres Landes aufhielten und mit oder ohne Hilfe nach Hause zurückkehren wollten oder in feindliches oder ehemals feindliches Territorium zurückgebracht werden mussten. Hierfür stand in Dessau nur eine Behelfsbrücke über die Mulde in Höhe der früheren Herzoglichen Mühle zur Verfügung. Alle, die diese schmale Brücke passieren wollten, mussten auch noch registriert werden. So kam es, dass in Waldersee und Umgebung viele Tausend Menschen, bei ständigem Kommen und Gehen, unter den primitivsten Verhältnissen im Freien lagerten und versorgt werden mussten. Später stellte die Rote Armee große Zelte auf, so dass der Aufenthalt für die Entwurzelten erträglicher wurde. Dazu kamen dann noch die Einquartierung sowjetischer Truppen und viele deutsche Flüchtlinge.

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„Das beschriftete Holzstück“

Aus dieser bewegten Zeit stammt ein ungewöhnliches Schriftzeugnis, das sich seit 2003 im Stadtarchiv befindet. Es handelt sich um ein Stück Holz, das beim Abriss eines alten Bienenhauses in Waldersee entdeckt wurde. Darauf ist folgender kurzer Text zu lesen, der die dramatische Lage jener Tage unmittelbar nachvollziehbar macht:

„Oskar Nikolaus,
den 10. Juni 1945.
Russen im Ort Waldersee
Amerikaner in Dessau“

Oskar Nikolaus war Stellmacher von Beruf. Er lebte damals in der Kreisstraße 57.

Am 2. Juli 1945 zogen sich die Amerikaner aus Dessau zurück und die Stadt wurde Teil der sowjetischen Besatzungszone. Waldersee wurde am 1. November 1945 nach Dessau eingemeindet.

Kontakt: Stadtarchiv Dessau-Roßlau
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